Ultra-Trail du Tour du Mont-Blanc ~ 25. - 27. August 2006

Nachdem ich schon lange nichts mehr geschrieben habe, muss ich nun nach dem UTMB nun doch mal wieder was schreiben.

Der UTMB sollte das eigentliche Hauptevent dieses Jahres werden, da ich Ende letzten Jahres bis Ende Februar diesen Jahres körperlich geschwächt und zu keinem normalem Träning fähig war. So hatte ich mich bis Januar auch bei keinem Lauf angemeldet, was sich dann als recht stressig erwies. Im ersten Halbjahr wollte ich nur Träningswettkämpfe machen und so blieben nur noch Spartatlon und der UTMB in meiner Auswahl übrig. Beide Läufe wollte ich nicht machen, da ich meinen Körper nicht wie letztes Jahr überstrapazieren wollte. Also entschied ich mich für den UTMB, da ich leidenschaftlich in den Bergen laufe. Als das klar war, wollte ich mich anmelden und musste feststellen, dass der Lauf schon ausgebucht war. Ich konnte aber über ein Losverfahren, bei dem noch 500 Läufer/innen ausgelost wurden, eine Anmeldung bekommen. Das nächste Problem kam dann mit dem Isarlauf, den ich gerne als Vorbereitung gemacht hätte. Auch dieser Lauf war schon ausgebucht und ich kam nur noch über eine Warteliste rein.

Die Vorbereitungsläufe absolvierte ich auch mehr oder weniger gut. Wobei ich bei dem Finama in Karlsruhe trotz Wadenkrämpfen bei km 30 noch ganz ordentlich zu Ende lief. Was mir aber am besten gelungen war, das war der Ciemgauer 100er, bei dem ich Gesamt-6ter wurde.

Leider hatte ich 4 Wochen vor dem UTMB geschäftlich ziemliche Schwierigkeiten, so dass ich erstens nicht mehr zum Laufen kam und zweitens, was noch mehr ins Gewicht fällt, hatte ich keinen Kopf mehr für den Lauf und ich denke, man muss sich körperlich wie auch geistig ständig mit dem Lauf beschäftigen, wenn man ihn gut laufen will.

Nun zum Lauf. Donnerstags gegen 10:00 Uhr fuhren Gabi und ich nach Chamonix, wo wir auch gut ankamen und gleich mal das 3Sternehotel aufsuchten, das Gabi über Laufreport als Reporterin für 4 Tage umsonst bekam. Danach gingen wir zur Anmeldung, um die Startunterlagen abzuholen, was sich als nicht so einfach herausstellte, da man die Startunterlagen erst bekam, wenn man den Veranstalter für alle Haftungen frei stellte und den kompletten Rucksack mit allen vorgeschriebenen Utensilien vorgezeigt hatte. Dazu mussten wir aber erst nochmal zurück ins Hotel, um den Rucksack zu holen. In der Halle trafen wir dann auch noch einige Bekannte, mit denen wir uns zum Abendessen in der Stadt verabredeten. So waren wir eine lockere Runde, Klaus, Michael, Ryan, Eric, Edgar, Jürgen, Gabi und ich, die sich zum Abendessen zusammengefunden hatte. Ich brachte die Runde bei der Frage, was man denn so laufen wollte, leicht außer Fassung, als ich sagte, es in gerne 30 Stunden geschafft haben zu wollen. Man verabredete sich danach noch für den nächsten Tag zur Pastaparty gegen 15:00 Uhr. Dann war der der erste Tag auch schon geschafft. Vormittags besprach ich noch mit Gabi die Route, die sie fahren könnte und wo sie die Möglichkeit haben würde mich zu sehen und mir eventuell Kleidung oder Schuhe zum Wechseln an die Verpflegungsstellen bringen könnte, da ich keinen Kleidersack bei der Organisation abgab.

Bei der Pastaparty trafen wir noch auf viele andere Bekannte, die nicht alle die grosse Runde liefen sondern auch eine 86Km Runde ab Courmayeur bis Chamonix. Jens Lukas, der stärkste Deutsche, der am Start waren, war schon ziemlich nervös und fieberte dem Start entgegen. Die Pastsparty war dem Veranstalter nicht würdig. Der Zeitraum des Essens war von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr angesetzt, die Wirklichkeit sah so aus, dass der Einlass erst ab 13:30 Uhr in kleinen Gruppen erfolgte, da die Austeiler so langsam waren und nicht nachkamen mit dem Austeilen und bis 17:00 Uhr ging. Ab 17:00 Uhr bekam man aber keine Nudein mehr, die sowieso kalt waren, bis man sie bekam. Man konnte nur hoffen, dass während des Laufes die Verpflegung besser klappte, was dann auch der Fall war. Es waren 21 Verpflegungsstellen ausgeschrieben, 3 davon als große Verpflegungsstellen mit Dusch,-Massage,-und Schlafmöglichkeiten. Die Stände unterwegs ließen keine Wünsche offen, so dass man auch ohne Rucksack und nur mit einer Trinkflasche unterwegs ausgekommen wäre, wenn nicht dieses Wörtchen wenn wäre. Denn die Anstiege waren teilweise doch sehr heftig und man brauchte für 4-6 km bergauf so seine 1,5 h, wenn es einem gut ging. Bei orthopädischen oder sonstigen körperlichen Gebrechen, Durchfall, Erbrechen konnte so eine Etappe schnell mal mehrere Stunden dauern, dann war klar, für was der Rucksack gut war.

Der Start zog sich durch diverse Redner etwas hin und man musste in der Startaufstellung schon aufpassen, dass man nicht von irgend einem Stock, die vorzugsweise mit der Spitze aus den Rucksäcken ragten, ein Auge ausgestochen bekam oder sonstige Gesichtsverletzungen davontrug. Das änderte sich auch nach dem Start nicht, im Gegenteil, es wurde insofern schlimmer, als dass die Hälfte der Stockinhaber diese in der Hand hielten, mit der Spitze nach hinten oben, wobei man bei dem Gedränge ettliche Male eine Spitze im Oberschenkel spürte. Ab Kilometer 8 wurde es um eine Variante reicher, denn dann bekam man noch einige Stockspitzen in die Wade oder Schuhe gerammt. Es war zumindest für mich ein sprichwörtliches Spießrutenlaufen.Es gab unterwegs noch etliche Variantenerweiterungen wie z.B. bei starken Steigungen in den Steinen verhakte Stöcke, die gerade in der Nacht durch starkes Ziehen ihrer Besitzer durch einen Ruck freikamen und man dadurch urplözlich einen in Schwung geratenen Stock dicht vor der Nase hatte. Oder beim Überholen auf Bergabpassagen, wo man ab und zu einen Stock zwischen den Beinen hatte, oder das übelste in einer der großen Verpflegungsstellen, bei denen man sein Gepäck vor dem Essen abstellte, um sich seine Nudeln oder Suppe zu holen – da bekam ich einen mit einer fiesen Spitze bewaffneten Stock, fast einem Degen gleich, in den hinteren Oberschenkel gerammt. Ob all dieses zusätzliche Martyrium, das ca. bis 66Km ging zu meiner vorzeitigen Aufgabe beigetragen hat, kann ich heute noch nicht genau sagen. Jedenfalls musste ich sehr stark im Kopf sein, um nicht in einer wilden Agression einige Stöcketreiber vom Berg zu schubsen.

Die ersten 30 km liefen noch mehr oder weniger normal. Die Sehne des inneren linken Oberschenkels schmerzte mal wieder unangenehm und zeitgleich spürte ich ein Ziehen im linken innenseitigen Knie, was nicht gerade zu einer Entspannung meines Laufes beitrug. Den Croix du Bonhome und den Col de la Seigne, die jeweils 2500 m hatten, lief ich dann doch im Schutze der Dunkelheit, die mich ab dem Col de Voza umfing, fast in normalem Wettkampftempo. Was mich iritierte, war zum einen die Stirnlampe, ich lief zum ersten Mal in meinem Leben mit einer Stirnlampe und ich brauchte einige Zeit, bis ich den Schein der Lampe so ausgerichtet hatte, dass mich die ovale Abgrenzung des Lichtkegels nicht mehr so irritierte. Es war, als ob ich mit Scheuklappen lief und nur einen kleinen begrenzten Sichtbereich hatte. Das andere, was mich sehr irritierte und unsicher machte, war dass ich bergauf extrem oft und mit deutlich schnellerem Tempo überholt wurde. Was mich aber in Chapieux bei km 40 etwas beruhigte war die Tatsache, dass ich in meinem vorher geschriebenen Zeitrahmen lag, obwohl ich nur nach Körpergefühl bzw. Pulsuhr lief.

In Courmayeur nach 72 km hatte ich erstmals die Nase gestrichen voll. Teils durch drei Stürze, die nicht alle aus Eigenverschulden passierten und auch nicht in extrem steilen und unwegsamen Pasagen, sondern, wie ich zu sagen pflegte, auf den Bergläuferautobahnen passierten. Zweimal durch Mitverschulden dieser Stöcketreiber unterwegs und einmal weil ich auf einem gut zulaufendem Bergabstück mein Tempo etwas drosselte um mit zwei vor mir laufenden Läufer mitzulaufen und dadurch nichtmehr ganz so konzentriert lief und promt über einen grösseren Stein stolperte und stürtzte (Nachts). Kurz vor Courmayeur, es ging nur noch steil bergab, lief ich auf Michael Krüger auf, dessen Laufstil eigentlich von hinten besehen nicht mehr sehr sauber aussah und ich so für mich dachte, wenn Michael in Coumayeur sagt er steigt aus, hör ich auch auf. Aber zu meiner Bestürzung meinte er, ihm ginge es glänzend und er wolle sich nur umziehen, etwas essen und dann weiterlaufen.Auch Gabi deutete ich an aussteigen zu wollen, wogegen sie sich vehement „wehrte“, ich würde noch prima aussehen und außerdem noch super in meiner selbstgewählten Zeit liegen. Also blieb mir auch nichts anderes übrig und nach ein paar Happen Nudeln, die nicht sonderlich schmeckten und frischer Laufkleidung machte ich mich wieder auf den Weg.

Nach Refuge Bertone wanderte ich und bis Refuge Bonatti konnte ich sogar etliche Kilometer rennen. An der Verpflegungsstelle Bonatti kam dann die Bescherung, denn alles was ich zu mir nahm, kam auf direktem Weg wieder zurück und zum Glück hatten sie direkt neben dem Verpflegungsstand eine Mülltonne stehen, in die ich herzhaft reinkotzte. Der Vorteil an der Mülltonne war, dass sie recht hoch war und ich mit den Armen auf der Mülltonne stützend meiner Verdauung nachgehen konnte, ohne vor Schwäche zusammenzubrechen. Auf dem Weg nach Grand Col Ferret über Arnuva übergab ich mich öfter mal und kam mit meinen letzten Kraftreserven auf dem Gipfel an. Unterwegs kamen mir noch drei alte Damen auf einem Seitenweg hinterher und ich dachte noch „hoffentlich sind die nicht schneller als ich“, denn sie hatten jede einen großen Rucksack auf, die keinesfalls leichter aussahen als meiner. Doch kam es, wie es kommen musste: alle drei Frauen überholten mich und zuguterletzt nahm mich die letzte auch noch bei der Hand und sagte etwas in Französisch zu mir, das ich in etwa so interpretierte, Junge die paar Meter da hinauf schaffst du noch. Dort war ich allerdings so leer und durstig, dass ich einen dort Verantwortlichen fragte, ob er mir Wasser geben könnte, weil ich Magenprobleme hätte und aus meiner Trinkblase nichts mehr trinken könnte. Da er nur Französisch und ich nur Deutsch mit ein wenig Englisch sprach, war die Aktion nicht ganz einfach, aber ich bekam mein Wasser, das mir sehr gut tat und machte mich gleich wieder auf den Weg, da er mir erklärt hatte, dass es nur noch 3 km bis zur nächsten Verpflegungsstelle waren. Ich kam ungefähr 20 bis 30 Meter weit und mein Magen meldete sich mit starker Vehemenz und die paar Schluck Wasser kamen in 2 Fontänen wieder aus mir heraus, diesmal war im Speichel auch noch etwas Blut dabei. Danach nahm ich meine Füsse in die Hand und rannte im flotten Tempo den Berg nach La Peulaz zur nächsten Verpflegungsstelle hinunter. Ich hörte hinter mir noch Rufen und Pfeifen, hatte aber keine Lust mich umzudrehen und etwa das Stück bergab, das ich jetzt schon hinter mir hatte gegebenenfalls wieder zurück zu marschieren, denn ich dachte mir schon das jemand mein Misstand gesehen hatte und mich deswegen rief. Der Weg kam mir deutlich länger als 3 km vor, doch lief ich mein flottes Tempo ziemlich durch und überholte sogar noch einige Läufer, die bergab nicht mehr so gut zu Fuss waren. Kaum in der Verpflegungsstelle angekommen, erwartete mich auch schon ein Verantwortlicher, der mich gleich, als er meinen Namen gelesen hatte, zur Seite nahm und mich fragte ob ich OK wäre. Worauf ich ihm erklärte, das ich alles was ich zu mir nahm wieder ausspuckte. Darauf machte er mir deutlich, dass er mich nicht eher weitergehen liesse, bis ich etwas zu mir genommen hätte. Tatsächlich konnte ich auch vorsichtig zwei Becher Suppe schlürfen und einen Becher Tee trinken und selbst nach mehreren hundert Metern den Berg hinunter blieb alles noch in mir.

Wieder konnte ich an diesem Steilstück einige Läufer überholen, die nicht mein Tempo bergab laufen konnten und dann sah ich von der Höhe herab auf einem Parkplatz meinen Bus stehen, in den sich gerade Gabi hineinsetzen wollte. Ich rief laut ihren Namen, weil ich Angst bekam, sie würde wegfahren.Sie hörte mich und deutete mir an, zu ihr zu kommen, was ich auf dem schnellsten Weg tat. Auf der Strasse angekommen, erklärte ich Gabi, dass ich auf keinen Fall das Rennen zu Ende laufen könnte, ich wäre fix und fertig, worauf sie mir erklärte, dass ich nur noch 5 km bis nach La Fouly zu gehen brauchte und dann schon in die Ergebnisliste käme. Mit der Gewissheit im Kopf, in La Fouly auszusteigen, kamen mir die 5 km nicht weiter als die 3 km vom Ferret hinunter zur letzten Verpflegungsstelle vor. Mein glücklichster Moment in diesem Rennen war, als ich in La Fouly in der Verpflegungsstelle ankam und der Zeitnehmerrin erklärte, dass für mich hier das Ziel wäre. Was ich fast zeitgleich mit dem Gesamtsieger erreichte. Ich hatte eine Zeit von 21:05 Stunden für 102 km und der Sieger 21:06 Stunden für 158 km – wobei Marco Olmo sogar noch 9 Jahre älter ist als ich.